Das AG München hat entschieden, dass gegenüber musizierenden Kindern in der Regel kein Unterlassungsanspruch wegen Lärmbelästigung besteht.

Die beiden Streitparteien sind unmittelbare Nachbarn in einem allgemeinen Wohngebiet und jeweils Eigentümer eines mit einem freistehenden Haus bebauten Grundstücks. Die Kläger bewohnen ihr Haus in der Regel alleine. Die Beklagten bewohnen ihr Haus mit ihren vier minderjährigen Kindern. Die Kinder des beklagten Ehepaares spielen seit Jahren regelmäßig Musikinstrumente, nämlich Schlagzeug, Tenorhorn und Saxofon. Das klagende Ehepaar behauptet, die Kinder würden auch während der vorgeschriebenen Ruhezeiten regelmäßig musizieren. Die bei den Klägern eintreffende Lautstärke erreiche regelmäßig Werte von deutlich über 55 dB, teilweise bis zu 70 dB.

Das klagende Ehepaar erhob Klage vor dem AG München gegen die Nachbarn. Sie verlangen, dass diese es unterlassen, in einer Weise Lärm durch Musikinstrumente zu erzeugen, dass die Nutzung ihres Anwesens wesentlich beeinträchtigt wird. Das beklagte Ehepaar behauptet, dass während des Musizierens die Türen und Fenster stets geschlossen seien. Es wird bestritten, dass durch das Musizieren Geräusche verursacht werden, die über 55 dB liegen. Während der Nachtruhe würde nicht musiziert.

Das AG München hat die Klage abgewiesen.

Nach den Ausführungen des Amtsgerichts sind nach Auswertung der von der Klagepartei vorgelegten Lärmprotokolle über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren weniger als eine Handvoll relevanter Fälle festgehalten worden. Das Amtsgericht müsse daher davon ausgehen, dass in aller Regel in den Mittagsstunden gerade nicht musiziert werde. Dass es einige wenige Ausreißer gegeben habe, sei möglich. Hier müsse man aber berücksichtigten, dass es sich bei dem Lärmverursachern um minderjährige Kinder handele. Von diesen könne nicht ohne weiteres die Einhaltung von Regeln verlangt werden wie bei volljährigen Personen. Es liege in der Natur der Kindheit und des Erwachsenwerdens, dass man Grenzen überschreite, Regeln breche und daraus und aus den negativen Konsequenzen lerne. Einen relevanten Rechtsverstoß sei nicht nicht erkennen, selbst wenn das Musizieren zu Mittagszeiten untersagt sein sollte.

Das Amtsgericht hat Abstand davon genommen, die Lautstärke objektiv durch einen Sachverständigen messen zu lassen. Musik könne nach dem Verständnis des Amtsgerichts nur dann als Lärm klassifiziert werden, wenn jemand absichtlich den Vorgang des Musizierens in eine bloße Produktion von Geräuschen pervertiere. Der zuständige Richter machte sich vor Ort ein Bild der Lage und kam zu dem Ergebnis, dass insbesondere das Schlagzeug deutlich – auch bei beidseits geschlossenen Fenstern – zu vernehmen war. Der Geräuschpegel erreichte aber zur vollen Überzeugung des Richters nicht den Grad der Unzumutbarkeit. Bei der hier vorzunehmenden Güterabwägung seien auch die Vorgaben der Verfassung, hier insbesondere Art. 6 GG zu berücksichtigen. Die gesunde Entwicklung junger Menschen stehe unter dem besonderen Schutz und in dem besonderen Interesse des Staates. Die Gesellschaft habe sich bei Abwägungsfragen an dieser Wertentscheidung zu orientieren. Daher sei dem Interesse der Kinder der Beklagten an der Ausübung des Musizierens der Vorrang einzuräumen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des AG München v. 16.06.2017

Juni 2017