Das AG München hat entschieden, dass die Deutsche Bahn nicht haftet, wenn ein Fahrgast trotz langjähriger Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten in den Spalt zwischen Bahnsteig und S-Bahn stürzt und sich dadurch verletzt.

Die klagende 64-jährige und gut 1,50 cm große Frau mit Schuhgröße 39 geriet am Bahnhof Rosenheimer Platz in München beim Zustieg mit Füßen und Beinen in den 14 cm breiten Spalt zwischen Zug und Bahnsteig. Sie konnte von zwei anderen Fahrgästen wieder herausgezogen werden, bevor die S-Bahn weiterfuhr. Die Klägerin erlitt dadurch Quetschungen und Prellungen an Ober- bzw. Unterschenkel sowie am Innenknöchel und war vier Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Hierfür begehrt sie 3.950 Euro Schmerzensgeld. Darüber hinaus entstanden ihr Reinigungskosten für Hose und Mantel in Höhe von 15,45 Euro. Sie trägt selbst vor, seit 1974 regelmäßige Nutzerin der Münchner S- und U-Bahn zu sein. Die Bahn sei für den Unfall verantwortlich, weil sie es unterlassen habe, den Spalt zwischen S-Bahn und Bahnsteig etwa durch ausfahrbare Trittbretter zu schließen. Die Beklagte lehnte die Regulierung ab. Ein geringerer Abstand zwischen Zug und Bahnsteig sei technisch ausgeschlossen. Die Klägerin sei sich als erfahrene Nutzerin der Bahn dieses Abstands auch bewusst gewesen. Die Verletzte erhob daraufhin Klage zum AG München.

Das AG München hat die Klage abgewiesen.

Nach Auffassung des Amtsgerichts hat die Klägerin keinen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil das Mitverschulden der Klägerin derart überwiegt, dass die Betriebsgefahr auf Seiten der Beklagten demgegenüber gänzlich zurücktritt. Die Klägerin habe nämlich abgesehen von der Existenz des 14 cm breiten Spaltes überhaupt nichts hinsichtlich der Unfallursache vorgetragen. Es sei daher unstreitig, dass bei der Unfallentstehung keinerlei Fremdeinwirkung vorlag. Die Klägerin gebe an, seit 1974 regelmäßig die S-Bahn zu nutzen, womit ihr der Spalt wie allen anderen Nutzern der S-Bahn bekannt gewesen sein müsse. Relevant sei auch, dass der Spalt mit 14 cm nicht besonders breit sei und bereits bei Beachtung geringer Sorgfaltsanforderungen mühelos überwunden werden könne. Auch sei auf Seiten der Beklagten eine Pflichtverletzung nicht ersichtlich. Es seien nur solche Sicherheitsmaßnahmen erforderlich, die ein verständiger und umsichtiger Mensch für ausreichend halten dürfe, um andere Personen vor Schäden zu bewahren. Von der Rechtsprechung seien bereits wesentlich größere Abstände für unbedenklich gehalten worden.

Das Urteil ist nach zurückgewiesener Berufung rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des AG München Nr. 89/2017 v. 17.11.2017

November 2017