GG Art. 19 IV, 33 II, V, 97 I, 101 I 1; DRiG §§ 26 III, 62 I Nr. 4, 68 III; GVG § 17 II 1; VwGO § 123 I 1; RiStAG BW §§ 63 Nr. 4, 85 III

1. Will der Beschwerdeführer im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Auswahlentscheidung von den Feststellungen oder von der Würdigung der Tatsachen in einer dienstlichen Beurteilung durch die Fachgerichte abweichen, muss er seinen abweichenden Sachvortrag mit einem verfassungsrechtlichen Angriff gegen die fachgerichtliche Tatsachenfeststellung verbinden.

2. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn in einer dienstlichen Beurteilung bei der Würdigung der Fachkompetenz eines Bewerbers (hier um das Amt eines Vorsitzenden Richters an einem OVG) frühere Tätigkeiten nicht berücksichtigt werden, die außerhalb des Beurteilungszeitraums liegen.

3. Bei der Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden Richters am OVG ist es nicht ermessensfehlerhaft, in der dienstlichen Beurteilung auch Erwägungen zur sozialen Kompetenz und zur Führungskompetenz anzustellen.

4. Eine dienstliche Beurteilung verletzt die richterliche Unabhängigkeit, die in erster Linie Weisungsfreiheit bedeutet, dann, wenn sie auf eine direkte oder indirekte Weisung hinausläuft, wie der Richter künftig verfahren oder entscheiden soll. In dieser Richtung muss die dienstliche Beurteilung eines Richters sich auch jeder psychologischen Einflussnahme enthalten. Sie ist unzulässig, wenn die in ihr enthaltene Kritik den Richter veranlassen könnte, in Zukunft eine andere Verfahrens- oder Sachentscheidung als ohne diese Kritik zu treffen.

5. Es verletzt nicht die richterliche Unabhängigkeit, wenn in einer dienstlichen Beurteilung eines das Amt eines Vorsitzenden Richters am OVG anstrebenden Vorsitzenden Richters am VG festgestellt wird, die Möglichkeit zum Besuch einer Kammersitzung habe sich nicht geboten, so dass es an einer tragfähigen Grundlage zur Beurteilung der Verhandlungsführung in einem mit drei Berufsrichtern besetzten Spruchkörper fehle.

6. Die umfassende verwaltunsgerichtliche Überprüfung einer dienstlichen Beurteilung im Rahmen eines Konkurrentenstreits unter Einbeziehung der durch Art. 97 GG geschützten richterlichen Unabhängigkeit ist auch im Hinblick auf die Zuständigkeit der Richterdienstgerichte mit der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 I 2 GG) grundsätzlich vereinbar.

7. Die in der verwaltungsgerichtliche Spruchpraxis vertretene Auffassung, nach der im Konkurrenten-Eilverfahren eine Aussetzung des Verfahrens (vgl. § 68 DRiG, § 85 RiStAG BW) nicht in Betracht kommt, hält sich im durch das Willkürverbot gezogenen Auslegungsrahmen der Fachgerichte (Leitsätze der Redaktion)

BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschl. v. 4.2.2016 – 2 BvR 2223/15

August 2016