Keine Kostenerstattungspflicht des Unfallverursachers gegenüber Straßenbaubehörde

Das OVG Lüneburg hat entschieden, dass keine Kostenerstattungspflicht des Unfallverursachers gegenüber der Straßenbaubehörde für die Beseitigung und Entsorgung von verendeten Rehen und Wildschweinen besteht.

Der Kläger des Verfahrens 7 LC 34/17 befuhr am 13.06.2013 mit einem Kraftfahrzeug die Bundesstraße B 446 und kollidierte zwischen Ebergötzen und Duderstadt mit einem die Fahrbahn kreuzenden Reh. Das Reh verendete und blieb im Straßenseitenraum liegen. Nach polizeilicher Unfallaufnahme und Unterrichtung des Jagdpächters ließ die zuständige Straßenmeisterei Herzberg das verendete Tier am Folgetag durch ein beauftragtes Fachunternehmen an der Unfallstelle aufnehmen und es wurde durch das Unternehmen entsorgt. Die Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) setzte gegen den Kläger mit Bescheid vom 23.11.2016 Kosten i.H.v. 396,08 Euro für die Beseitigung und Entsorgung des Tierkadavers fest. Der Wildunfall habe zu einer Verunreinigung der Bundesstraße geführt, die von dem Kläger als Unfallbeteiligter hätte unverzüglich beseitigt werden müssen. Nach der Beseitigung durch ein beauftragtes Fachunternehmen müsse der Kläger für die Kosten aufkommen.
Der Kläger des Verfahrens 7 LC 35/17 befuhr am 12.10.2013 mit einem Kraftfahrzeug die Bundesstraße B 217 in Richtung Hameln und kollidierte in Höhe der Gemeinde Wennigsen (Deister) mit einem die Fahrbahn kreuzenden Wildschwein. Das Wildschwein verendete und blieb im Straßenraum liegen. Nach polizeilicher Unfallaufnahme und Unterrichtung des Jagdpächters holte dieser das verendete Tier am nächsten Tag von der Unfallstelle ab und führte es nach einer Zwischenlagerung auf seinem Grundstück der Tierkörperbeseitigung durch ein Fachunternehmen zu. Die NLStBV setzte gegen den Kläger mit Bescheid vom 19.08.2016 Kosten i.H.v. 148,79 Euro für die Beseitigung und Entsorgung des Tierkadavers fest.
Der Kläger des Verfahrens 7 LC 37/17 befuhr am 11.11.2013 mit einem Kraftfahrzeug die Landesstraße L 390 und kollidierte zwischen Redderse und Leveste mit einem die Fahrbahn kreu-zenden Reh, das verendete und im Straßenraum liegen blieb. Nach polizeilicher Unfallaufnahme und Unterrichtung des Jagdpächters brachte dieser das verendete Tier zu einem Jagdmitpächter. Von dort aus wurde der Tierkadaver am nächsten Tag der Tierkörperbeseitigung durch ein Fachunternehmen zugeführt. Die NLStBV setzte gegen den Kläger mit Bescheid vom 19.08.2016 Kosten i.H.v. 129,16 Euro für die Beseitigung und Entsorgung des Tierkadavers fest.
Das VG Hannover hatte in erster Instanz in allen drei Fällen mit Urteilen vom 29.03.2017 die angegriffenen Kostenbescheide aufgehoben.

Das OVG Lüneburg hat die Berufungen der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) gegen die Urteile des VG Hannover zurückgewiesen und diese Urteile nunmehr in zweiter Instanz bestätigt.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts kann die Kostenerstattung auf die von der Behörde herangezogene Vorschrift (§ 7 Abs. 3 des Bundesfernstraßengesetzes bzw. § 17 des Niedersächsischen Straßengesetzes) nicht gestützt werden, weil das jeweils im Straßenraum liegen gebliebene Reh bzw. Wildschwein nicht zu einer Verunreinigung der Straße im Sinne der genannten Vorschriften geführt habe. Ohne die Verletzung einer primären Pflicht zur Straßenreinigung bestehe auch keine sekundäre Pflicht zur Kostenerstattung.

Das OVG Lüneburg hat die Revision zum BVerwG jeweils nicht zugelassen.

Quelle: Pressemitteilung des OVG Lüneburg Nr. 42/2017 v. 22.11.2017

Zwangsstilllegung eines Kraftfahrzeugs wegen nicht gezahlter Kraftfahrzeugsteuer

Das VG Koblenz hat entschieden, dass ein Pkw von der Zulassungsbehörde von Amts wegen abgemeldet werden kann, wenn der Halter die Kraftfahrzeugsteuer nicht bezahlt.

Im Juni 2016 erhielt die Beklagte vom Hauptzollamt die Mitteilung, der Kläger habe die Kraftfahrzeugsteuer für das Jahr 2016 nicht gezahlt. Die Vollstreckung sei erfolglos geblieben bzw. lasse keinen Erfolg erwarten. Daraufhin forderte die Beklagte den Kläger mit dem angefochtenen Bescheid auf, innerhalb einer Woche nach Bestandskraft des Bescheides die Zulassungsbescheinigung Teil I und die Kennzeichenschilder seines Fahrzeugs zur Entstempelung vorzulegen. Dies sei nur dann entbehrlich, wenn er binnen der genannten Frist die Zahlung der offenen Steuer belege.
Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Er macht geltend, die Zwangsstilllegung seines Kraftfahrzeugs sei schon deshalb rechtswidrig, weil die behaupteten Steuerschulden nicht bestünden. Das Hauptzollamt habe von ihm geleistete Zahlungen nicht ordnungsgemäß verbucht.

Das VG Koblenz hat die Klage des Kraftfahrzeughalters abgewiesen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Zwangsstilllegung des Kraftfahrzeugs des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen habe die Zulassungsbehörde bei Nichtentrichtung der Kraftfahrzeugsteuer auf Antrag des Hauptzollamtes das betroffene Fahrzeug von Amts wegen abzumelden. Dabei obliege es der Beklagten nicht, die vom Hauptzollamt angegebenen Steuerschulden dem Grunde und der Höhe nach zu überprüfen. Streitigkeiten bezüglich der Steuerschuld seien ausschließlich zwischen dem Steuerschuldner und dem Hauptzollamt zu klären.

Gegen diese Entscheidung könnten die Beteiligten die Zulassung der Berufung durch das OVG Koblenz beantragen.

Quelle: Pressemitteilung des VG Koblenz Nr. 37/2017 v. 22.11.2017

Keine Beihilfe für nicht verschreibungspflichtiges Medikament

Das BVerwG hat entschieden, dass der grundsätzliche Leistungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) nicht zu beanstanden ist.

Die Klägerin ist beihilfeberechtigte Beamtin der Bundesrepublik Deutschland und erhält als solche grundsätzlich für 50% ihrer krankheitsbedingten Aufwendungen Beihilfe. Im April 2013 erwarb sie das ihr ärztlich verordnete Nasen- und Rachenspray Locabiosol. Die von ihr hierfür beantragte Beihilfe lehnte die beklagte Bundesagentur für Arbeit unter Hinweis auf den in der Bundesbeihilfeverordnung geregelten grundsätzlichen Leistungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 22 Abs. 2 Nr. 3 BBhV) ab. Ein in der Ausschlussregelung normierter Ausnahmetatbestand sei nicht gegeben. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hatte der Klage stattgegeben. Die Regelung der Bundesbeihilfeverordnung sei unwirksam. Auf die Berufung der Beklagten hatte der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

Das BVerwG hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

Nach Auffassung des BVerwG ist der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wirksam. Er stehe insbesondere mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang. Der Verordnungsgeber habe ausreichende Vorkehrungen getroffen, dass dem Beamten infolge des Ausschlusses der Beihilfefähigkeit im Einzelfall keine Aufwendungen verblieben, die seine finanziellen Möglichkeiten erheblich überstiegen. Dies ergebe sich jedenfalls aus einer Gesamtschau verschiedener Regelungen. So habe der Verordnungsgeber bestimmte Fallgruppen von dem Leistungsausschluss ausgenommen. Darüber hinaus seien Aufwendungen für ärztlich verordnete nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel als beihilfefähig anzuerkennen, wenn sie eine an den jährlichen Einnahmen des Beamten und den Kosten für das einzelne Medikament ausgerichtete Grenze überschritten. Schließlich könnten Aufwendungen übernommen werden, wenn im Einzelfall die Ablehnung der Beihilfe eine besondere Härte darstellen würde.

Vorinstanzen
VG Ansbach, Urt. v. 29.07.2014 - AN 1 K 14.00406
VGH München, Urt. v. 12.02.2016 - 14 BV 14.1943

Quelle: Pressemitteilung des BVerwG Nr. 83/2017 v. 23.11.2017

Weihnachtsmarkt: Schutz vor Terroranschlägen ist nicht Aufgabe des Veranstalters

Das VG Berlin hat entschieden, dass Maßnahmen zur Abwehr von allgemeinen Gefahren durch Terroranschläge nicht dem Betreiber eines Weihnachtsmarktes auferlegt werden können.

Die Antragstellerin veranstaltet den Weihnachtsmarkt vor dem Charlottenburger Schloss. Im August 2017 beantragte sie die Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung des Weihnachtsmarktes nach dem Berliner Grünanlagengesetz (GrünanlG). Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin erteilte diese Anfang November 2017 zunächst unter der "Bedingung", dass die Antragstellerin "einen Grundschutz gegen unbefugtes Befahren des Veranstaltungsgeländes mittels Kraftfahrzeugen" gewährleisten müsse. Die Antragstellerin wollte dem nicht nachzukommen, weil es sich hierbei um eine staatliche Aufgabe handele. Darauf gab die Behörde der Antragstellerin in einem weiteren Bescheid "zur Gewährleistung eines Grundschutzes gegen Überfahrten" auf, "Gegenstände aufzustellen, die in den Veranstaltungsbereich einfahrende Fahrzeuge ablenken oder zumindest abbremsen" könnten, z.B. in Form von Betonquadern als Barrieren. Ferner habe die Antragstellerin "im Bereich des Eingangs zum Veranstaltungsgelände ein bewegliches schweres Fahrzeug als mobile Komponente aufzustellen." Für den Fall der Nichterfüllung drohte die Behörde die Ersatzvornahme bzw. ein Zwangsgeld an. Nachdem die zugleich gesetzte Frist zur Umsetzung abgelaufen war, stellte die Behörde Betonpoller auf. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Der gegen die Anordnung der nicht erledigten Maßnahme und gegen die Zwangsgeldandrohung gerichtete Eilantrag hatte vor dem VG Berlin Erfolg.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts kann die Anordnung nicht auf das GrünanlG gestützt werden, weil danach nur Auflagen zum Schutz der Grünanlage und ihrer Nutzer vor grünanlagenspezifischen Gefährdungen zulässig sind. Darum gehe es hier aber nicht. Auch das allgemeine Polizeirecht biete keine ausreichende Rechtsgrundlage. Denn mit der Veranstaltung des Weihnachtsmarktes verursache die Antragstellerin nicht in zurechenbarer Weise die Gefahr eines Anschlags. Diese beruhe vielmehr auf dem eigenverantwortlichen Verhalten Dritter. Nicht verantwortliche Personen könnten aber nur dann polizeirechtlich in Anspruch genommen werden, wenn die Polizei und die Ordnungsbehörden eine etwaige Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte durch Vornahme geeigneter Maßnahmen abwehren könnten. Dies sei hier nicht der Fall, zumal sich die Antragstellerin schon im März 2017 und damit rechtzeitig mit Senatsverwaltung und Polizei in Verbindung gesetzt habe. Unabhängig hiervon sei die Anordnung auch zu unbestimmt.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim OVG Berlin-Brandenburg eingelegt werden.

Quelle: Pressemitteilung des VG Berlin Nr. 40/2017 v. 28.11.2017

20-Gipfel: Anordnung zum Toilettengang mit offener Tür war rechtswidrig

Das VG Hamburg hat aufgrund des Anerkenntnisses der Stadt Hamburg festgestellt, dass die im Zusammenhang mit dem G 20-Treffen am 08.07.2017 erfolgte Durchsuchung einer Demonstrantin, die Anfertigung eines Lichtbildes von ihr sowie die Anordnung, während eines Toilettenganges die Tür geöffnet zu lassen, rechtswidrig waren.

Dennoch habe die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, so das Verwaltungsgericht.

Die Klägerin aus Nordrhein-Westfalen wollte am 08.07.2017 an einer Demonstration im Zusammenhang mit dem G 20-Treffen teilnehmen. Die Anreise erfolgte mit einem Bus, der von den "SJD - Die Falken", einer SPD-nahen Jugendorganisation, gemietet war. Der Bus sowie deren Insassen, u.a. die Klägerin, wurden auf Höhe der Raststätte Stillhorn von der Polizei in Gewahrsam genommen und zur Gefangenensammelstelle in Harburg verbracht. Dort wurde die Klägerin durchsucht, es wurde ein Lichtbild von ihr angefertigt und während eines Toilettenganges war sie verpflichtet, die Tür zur Kabine geöffnet zu lassen.

Die Klägerin hatte Klage erhoben, um feststellen zu lassen, dass die Behandlung durch die Polizei während der Ingewahrsamnahme rechtswidrig war. Die Beklagte, die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres und Sport, hat die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen anerkannt und erklärt, dass die Ingewahrsamnahme aufgrund einer Verwechslung erfolgt und rechtswidrig gewesen sei. Aufgrund dessen seien auch die streitgegenständlichen Maßnahmen während der Ingewahrsamnahme rechtswidrig gewesen.

Das VG Hamburg hat entsprechend dem von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnis die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen ohne eigene Sach- und Rechtsprüfung festgestellt.

Dennoch habe die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sich diese nicht zunächst mit ihrem Begehren an die Beklagte gewandt, sondern zugleich Klage erhoben habe. Die Beklagte habe aber bereits am 19.07.2017 den Fehler öffentlich eingestanden und sich für den Fehler entschuldigt. Die Beklagte habe daher keine Veranlassung für die Klage gegeben.

Quelle: Pressemitteilung des VG Hamburg v. 28.11.2017