Unterbringung in Gewahrsamszellen kein Verstoß gegen Menschenwürde

Das VG Hannover hat entschieden, dass die mehr als zweitägige Unterbringung von mutmaßlichen Fußballrowdys in den Gewahrsamszellen der Polizeidirektion Hannover nicht gegen die Menschenwürde verstoßen hat.

Die beiden Kläger und die Klägerin waren von der Polizei zusammen mit über 170 weiteren Personen am Abend des 04.11.2016 in örtlicher Nähe eines Baumarktparkplatzes am Rande Hildesheims aufgegriffen worden. Die Polizei ging davon aus, dass an dem Ort oder in der unmittelbaren Nähe zwischen gewaltbereiten Anhängern von Hannover 96 und von Eintracht Braunschweig im Vorfeld des für den 06.11.2016 angesetzten Ligaspieles dieser Mannschaften eine Massenschlägerei verabredet war. Sie nahm deshalb alle angetroffenen Personen in Gewahrsam und verbrachte u.a. die Kläger und die Klägerin nach Hannover. Auf Grund amtsrichterlicher Anordnung wurden die Kläger und die Klägerin in Einzelhaftzellen der Polizeidirektion Hannover bis einige Zeit nach Ende des Ligaspieles am 06.11.2016 in Polizeigewahrsam gehalten. Beschwerde gegen die amtsrichterliche Anordnung legten diese im Gegensatz zu anderen, von denselben Maßnahmen Betroffenen nicht ein. Für den Transport und die Ingewahrsamsnahme stellte die Polizei den Klägern und der Klägerin mit den angegriffenen Kostenbescheiden Kosten i.H.v. jeweils insgesamt 95 Euro (45 Euro für Transportkosten; 50 Euro für Unterbringung über zwei Tage) in Rechnung. Die Kläger wandten sich daraufhin gegen ihre Heranziehung zu den Kosten ihres Transportes von Hildesheim nach Hannover und ihrer Ingewahrsamsnahme über zwei Tage in Gewahrsamszellen der Polizeidirektion Hannover.

Das VG Hannover hat die Klagen abgewiesen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die Ingewahrsamnahmen der drei Kläger jeweils rechtmäßig gewesen. Mit ihnen sei die unmittelbar bevorstehende Begehung von Straftaten verhindert worden. Aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht der handelnden Polizeibeamten sei davon auszugehen gewesen, dass die Personengruppe, der die Kläger angehörten, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hannoversche Ultras-/Hooligans waren, die sich dort sammelten, um unmittelbar im Anschluss eine gewalttätige Auseinandersetzung mit Braunschweiger Fans zu suchen, bei der nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit wechselseitige Körperverletzungsdelikte mit erheblichen Folgen für die körperliche Unversehrtheit der Beteiligten wahrscheinlich waren. Zwar rechtfertige im Allgemeinen das Bevorstehen von Straftaten aus einer Gruppe heraus nicht den Gewahrsam gegen jedes Gruppenmitglied; anders sei dies allerdings zu beurteilen, wenn es Anhaltspunkte für einen kollektiven Vorsatz gebe. Dies sei hier der Fall gewesen, denn sowohl die Hooligans als auch die Ultras aus Hannover seien bekanntermaßen den Gruppierungen zuzurechnen, die Konflikte mit an Fußballmannschaften anhängenden Hooligans und Ultras mit Gewalt austragen wollten und Straftaten der vorgenannten Art nach dem typischen Erscheinungsbild aus einer homogenen Gruppe heraus begingen. Die Ingewahrsamsnahme über zwei Tage sei unerlässlich gewesen, um zu verhindern, dass die Kläger sich im zeitlichen Zusammenhang mit dem angesetzten Ligaspiel an weiteren, konkret zu befürchtenden Auseinandersetzungen beteiligen würden. Die Unterbringungsbedingungen in den Gewahrsamszellen der Polizeidirektion Hannover seien rechtlich nicht zu beanstanden. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe die von den Klägern behaupteten menschenrechtswidrigen räumlichen Unterbringungsbedingungen nicht bestätigt. Die genutzten Zellen seien danach hinreichend belüftet und mit Brandschutzvorrichtungen und Matratzen versehen. Auch die Zellengröße sei mit rund vier qm ausreichend bemessen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Dauer der Ingewahrsamsnahme von vornherein auch für die Betroffenen erkennbar auf knapp zwei Tage befristet war und die Kläger u.a. die Möglichkeit hatten, über den Zellengang zu anderen in Gewahrsam genommenen Personen Kontakt zu halten.

Gegen das Urteil kann innerhalb von einem Monat nach Zustellung ein Antrag auf Zulassung der Berufung an das OVG Lüneburg gestellt werden.

Quelle: Pressemitteilung des VG Hannover v. 11.09.2017

September 2017