VG Münster: Lieferservice für Getränke darf nicht weiter an Sonntagen liefern

zu VG Münster , Beschluss vom 18.11.2016 - 1 L 1701/16

Die Firma "flaschenpost GmbH" darf vorläufig an Sonn- und Feiertagen keine Arbeitnehmer mit der Auslieferung von Getränken beschäftigen. Das Verwaltungsgericht Münster hat das von der Bezirksregierung Münster an die Firma "flaschenpost GmbH" gerichtete diesbezügliche Verbot vorläufig bestätigt. Die Ausnahmeregelung vom feiertäglichen Arbeitsverbot für Gaststätten sei bei einem Lieferservice nicht einschlägig (Beschluss vom 18.11.2016, Az.: 1 L 1701/16, nicht rechtskräftig).

Sachverhalt

Die Antragstellerin betreibt einen Lieferservice für Getränke jeder Art in Münster. Bestellt werden können einzelne Flaschen ebenso wie eine große Anzahl an Getränkekisten. Die Bestellung erfolgt ausschließlich über die Internetseite der Antragstellerin. Sie unterhält kein Ladenlokal oder eine andere Verkaufsstelle, sondern lediglich ein Lager. Die Kunden werden sowohl an Werktagen als auch an Sonn- und Feiertagen beliefert. Mit Ordnungsverfügung vom 07.11.2016 untersagte die Bezirksregierung Münster der Antragstellerin mit sofortiger Wirkung die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit der Auslieferung von Getränken an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen. Hiergegen erhob die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Münster und beantragte die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Arbeitgeberin zur Erfüllung gesetzlicher Pflichten verpflichtet

Die Untersagung der Sonn- und Feiertagsarbeit ist laut dem Beschluss der VG offensichtlich rechtmäßig. Nach dem Arbeitszeitgesetz könne die Bezirksregierung als zuständige Aufsichtsbehörde die erforderlichen Maßnahmen anordnen, die die Antragstellerin als Arbeitgeberin zur Erfüllung der sich aus diesem Gesetz ergebenden Pflichten zu treffen habe. Eine dieser Pflichten sei es, zu beachten, dass Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr nicht beschäftigt werden dürften. Dieses Verbot verwirkliche den gesetzlichen Zweck, den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen.

Feiertägliches Arbeitsverbot verfassungsrechtlich geschützt

Hinter dem Beschäftigungsverbot stehe der verfassungsrechtliche Schutzauftrag an den Gesetzgeber, dass grundsätzlich die typische "werktätige Geschäftigkeit" an Sonn- und Feiertagen zu ruhen habe. Wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt habe, sei dieser Schutz nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt der Sonn- und Feiertage beschränkt. Die Regelung ziele in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. An den Sonn- und Feiertagen solle grundsätzlich die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen könne. Diese Möglichkeit seelischer Erhebung solle allen Menschen unbeschadet einer religiösen Bindung zuteilwerden.

Ausnahmeregelung für Gaststätten nicht einschlägig

Demgegenüber könne sich die Antragstellerin nicht auf die gesetzliche Ausnahmeregelung berufen, wonach in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden dürften. Denn bei der Antragstellerin handele es sich nicht um eine Gaststätte oder eine andere Einrichtung zur Bewirtung. Ihre Produkte unterschieden sich vielmehr nicht von sonstigen Produkten des Einzelhandels wie etwa des Lebensmittelhandels, nach denen auch am Wochenende aus welchen Gründen auch immer ein spontanes Bedürfnis entstehen könne. Die gesetzliche Ausnahmeregelung diene aber nicht dazu, dem Einzelhandel, zu dem auch der Getränkeeinzelhandel gehöre, die Sonntagsarbeit zu erlauben.

Bloßes wirtschaftliches Interesse reicht nicht für Sonderbehandlung

Unabhängig hiervon könne sich die Antragstellerin auch deswegen nicht auf die Ausnahmeregelung berufen, weil die Arbeiten auch an Werktagen vorgenommen werden könnten. Das bloße wirtschaftliche Umsatzinteresse der Antragstellerin und das alltägliche Erwerbsinteresse ("Shopping-Interesse") ihrer Kunden genügten grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen.

Redaktion beck-aktuell, Verlag C.H.BECK, 18. November 2016.

November 2016